Auszug aus dem Buch "Burgen und Schlösser der Harzregion 4" von Bernd Sternal, Wolfgang Braun
Haus Nienburg ist ein Ortsteil von Eilenstedt, das zur Gemeinde Huy gehört. Dort, zwischen dem bewaldeten Höhenzug Huy und dem Großen Bruch, wird eine hochmittelalterliche Wasserburg vermutet.
Heute sind allerdings keine Hinweise mehr erkennbar, die auf eine solche Burganlage hindeuten und Grabungen wurden meines Wissens dort noch nicht vorgenommen. Allerdings spricht in „Bau- und Kunstdenkmäler Provinz Sachsen, Kr. Oschersleben“ Autor Schmidt noch von „Die alte Burg …. von tiefem Graben umgeben“. Bereits im Jahre 1187 wurde „Neindorf“ allerdings als wüst genannt.
Erst im Jahr 1484 begannen die Herren von Spiegel, die wahrscheinlich einem alten westfälischen Adelsgeschlecht entstammen, an dem Ort dieser Wüstung ein Gut zu errichten. Bereits 1498 nannte sich das Geschlecht dann „von Spiegel zu Neyenburg“.
Aber bereits im Jahre 1552 erlosch mit dem Tod von Curd auf der Nienburg dieses Geschlecht der Herren von Spiegel. Neue Besitzer von Gut Nienburg wurden die Herren von Dorstadt, bis zu deren Aussterben im Jahre 1661. Es folgten die Herren von Saldern sowie wechselnde Besitzer.
Im Jahre 1776 kam das Gut, angeblich durch Erbschaft, an die Herren von Hagen. Carl Ernst von Hagen, der damalige Herr von Haus Nienburg, ging als der „tolle Hagen“ in die Literatur ein. Im Jahre 1775 hatte der "tolle Hagen" an der Fassade des Gasthauses "Zum blanken A.", ein Bild, auf dem eine flämische Wirtin die Forderungen eines Steuereinnehmers mit ihrem blanken Hinterteil beantwortete, anbringen lassen. Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. und Johann Wolfgang von Goethe weilten dort als Gäste des Gutsherren von Hagen. Letzterem verdankt die Gaststätte die Aufnahme in Goethes Annalen und ihren Namen.
Aber das Wirken des Herrn von Hagen beschränkte sich nicht nur auf diesen provokatorischen Einfall. Im Jahre 1784 begann er mit grundlegenden Umbauarbeiten des Gutes, die wohl den alten Bestand verwischten.
Der tolle Hagen aus Haus Nienburg bei Eilenstedt
Im Landkreis Halberstadt waren zeitweilig einige Schwadronen Ulanen einquartiert, Einheiten mit Lanzen bewaffnet und leichter Reiterei. Einige Offiziere dieser Truppe, ältere Rittmeister und blutjunge Leutnants, statteten dem Herrn Landrat von Hagen einen Höflichkeitsbesuch in Haus Nienburg ab. Dieser empfängt sie freundlich und lädt sie zu einem Umtrunk ins Haus. Dabei geht es sehr steif und unpersönlich zu. Die Gäste halten sich streng an die Etikette, sind wortkarg und auch durch witzige Bemerkungen des Gastgebers nicht aus der Reserve zu locken. Sie winkeln zwar den Arm „vorschriftsmäßig“ an, wenn sie das Glas zum Munde führen, doch sie nippen nur daran, sind offenbar nicht trinkfest und danken, als Hagen nachschenken lassen will. Diese Besucher gefallen ihm nicht! Bald drängen die Rittmeister zum Aufbruch. Hagen begleitet die Gäste hinaus und nimmt Ihre Pferde in Augenschein. Seine Miene verdüstert sich zusehends, plötzlich erklärt er laut und vernehmlich: „Die Pferde taugen nichts!“. Jetzt wurden die Herren Offiziere munter, sie fühlen sich in ihrer Ehre verletzt. Aber Hagen setzte noch einen Hieb drauf: „Meine Schweine laufen ja schneller als diese Gäule!“. Ehe der Streit ausartete, fädelte er raffiniert eine Wette ein. In der nächsten Woche sollte die Probe auf Exempel gemacht werden. Die Rennstrecke sollte die Heerstraße in Richtung Neudamm sein und über eine Meile führen. Der Abschied war kühl. Die Borstentieren wurden damals in Haus Nienburg im Sommer auf einer Koppel im Freien gehalten, zum Füttern trieb man sie auf einen Platz in der Nähe, wo dann ihre „Mahlzeit“ in langen Trögen vorbereitet war. Sofort nach dem Abschluss der Wette begann Hagen mit der systematischen Vorbereitung des „Schweinerennens“. Er gab Anweisung, die Fütterung jeden Tag 500 Schritt weiter in nördlicher Richtung vorzunehmen und die Tröge am Straßenrand aufzustellen. Täglich kontrollierte er und freute sich, wenn die Schweineherde aus dem Pferch über die Heerstraße zum Futterplatz jagte… Nun war der Tag der Entscheidung gekommen! Im Schritt erreichen die Ulanen- Offiziere das Gut, sie haben ihre edlen Tiere geschont: tänzeln nervös, als das Kommando „Haalt““ ertönt. Wenig später warten die berittenen Herren frohen Mutes, weil Ihres Sieges gewiß, an der Schweinekoppel auf das Startzeichen. Der schlaue Fuchs von Hagen hat die Schweine am Vortag hungern lassen, sie sind dementsprechend unruhig. Als nun das Gatter geöffnet wird, da rennen sie wie die Teufel, in eine dichte Staubwolke gehüllt, mit ungeheurem Tempo davon, auf der vorgeschriebenen Rennstrecke. Die Herde nimmt die gesamte Straßenbreite ein. Die verblüfften Ulanen trauen ihren Augen nicht, als sie ihre eigenartigen Konturrenten sahen. Aber noch sind sie zuversichtlich. Dieses Tempo werden die über einen halbe Meile nicht durchhalten! Doch auch als die Schweine langsamer wurden, ist ein Überholen nicht mögliche, denn wer auf die Felder gerät, ob Schwein oder Pferd, scheidet aus dem Wettkampf aus, so war es abgemacht. Die Reiter können ihren Tieren die Sporten geben oder die Peitsche einsetzten, keines dringt in die Kolonne der Borstentiere ein, geschweige denn ist diese zu durchdringen. Der Sieg in diesem Rennen gehörte den Schweinen! Hagen hatte wieder einmal eine Wette gewonnen und die Ulanen-Offiziere zogen enttäuscht in ihre fernen Quartiere.